Einen Monat befinde ich mich jetzt schon hier in Santa
Catarina Minas. Zeit, sich rückzubesinnen was mir bisher so alles passiert ist…
Einen Monat bin ich schon von Menschen umgeben, die
ausschließlich Spanisch sprechen, eine andere Hautfarbe haben und denen
Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Planung nicht einmal halb so viel bedeuten
wie mir.
Einen Monat schon wohne ich in einem Dorf, dessen Straßen
den Name Straße nicht verdienen, das inmitten wunderschöner Berge und
beeindruckender Natur gelegen und trotzdem so ausgetrocknet ist, dass nicht
jeder ungehinderten Zugang zu Wasser hat.
Einen Monat schon wohne ich in einem Haus das aus Lehm und
Agave gebaut wurde, das keine Dusche und keine Klospülung hat und in dem fast
täglich ein Huhn durch die Küche spaziert.
Einen Monat wohne ich schon in einem Zimmer ohne Tür und
ohne Privatsphäre.
Einen Monat schon lebe ich in einer Familie, deren Vater
nicht ohne Waffe aus dem Haus geht, der jetzt zum Presidente seines Dorfes
gewählt wurde, der seinen Kopf voller guter Ideen für sein Dorf hat und fest
davon überzeugt ist dass er in seiner dreijährigen Amtszeit erschossen wird. In
einer Familie, in der die Mutter ausschließlich kocht, putzt und sich um die
Kinder kümmert, in der die Eltern mit ihren beiden Kindern in einem Zimmer
schlafen und die Mutter mir gelegentlich ihr Herz über all ihre Eheprobleme der
letzten 14 Jahre ausschüttet.
In einem Monat habe ich zahlreiche mexikanische Fiestas
kennengelernt – Bin stundenlang irgend einen Heiligen feiernd durch die Straßen
gezogen, habe Weihnachten geholfen eine Piñata zu zerschlagen und an verrückte
Menschen Süßigkeiten zu verteilen, habe seltsame Spiele auf einer Hochzeit
mitgemacht und die ganze Nacht zu Salsa und Merengue getanzt, mich über das
Prinzessinnen-Outfit des Geburtstagskindes des „15 años“-Geburtstages gewundert
und habe auf einer Beerdigung bei einem kilometerlangem Fußmarsch durch das
Bergtal einer alten Dame die letzte Ehre erwiesen.
In einem Monat habe ich fast täglich meine Grenzen überwunden – Ich lebe zusammen mit Hunden, renne nicht schreiend vor aggressiv blickenden Straßenkötern davon, bleibe gelassen wenn ich im Bad eine Maus entdecke, kommentiere das Huhn unterm Esstisch nur mit „Ach, Huhn!“ (und das auch noch auf Spanisch!), habe Würmer und Kuhmagen gegessen, habe einen Pick-up durch Flüsse und Berge gesteuert, bin durchs Fenster in unser Haus eingestiegen und gelassen geblieben wenn mein Gastvater mich gezwungen hat blutige, gewalttätige Filme über Mexiko anzuschauen, um mir hinter her zu erklären: Das ist die Realität. Das ist Mexiko!
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